Présidentielle 2007

Ein Blog über den französischen Präsidentschaftswahlkampf

Französische Präsidentschaftswahl
Donnerstag, 29. März 2007

Nicolas Sarkozy, Kandidat der Union für eine Volksbewegung (UMP)

Seit Anfang dieser Woche kann sich der Kandidat der aktuellen Mehrheit ganz auf seinen Wahlkampf konzentrieren: Nach knapp zwei Jahren verlässt der Präsident der UMP seinen Posten als Innenminister, den er schon zwischen Mai 2002 und März 2004 besetzt hatte. Diese Doppelfunktion war immer wieder ein Kritikpunkt, schließlich ist der Innenminister qua Amt für die Organisation der Wahlen zuständig. Sich selbst kontrollieren fällt den wenigsten leicht, und so forderten selbst Sarkozys Unterstützer immer wieder, von seinem Posten abzutreten. Mehrfach munkelte man, dass nun aber dieser Zeitpunkt gekommen sei: im Oktober 2006, zum Jahreswechsel und am 14. Januar, der offiziellen Investitur Sarkozys.

Schlussendlich hat sich Sarkozy mit diesem Schritt viel Zeit gelassen, und scheinbar nicht minder von seiner Position profitiert: Viele Mitarbeiter Sarkozys wussten nicht immer, ob sie nun gerade für den Innenminister oder den Kandidaten arbeiteten. Bei Wahlkampfterminen (oder Amtsbesuchen?) erkundeten Sicherheitskräfte Tage im Voraus die Lage vor Ort, Sarkozys Hauptquartier für den Wahlkampf ist polizeilich immer gut bewacht. Die Wahl fiel auf ein Gebäude im populären 10. Pariser Arrondissement, das einen hohen Ausländeranteil hat. Manche empfinden diese Standortwahl als Provokation, schließlich ist Sarkozy für seine scharfe Immigrationspolitik bekannt.

Auf Sarkozys Anweisung hin schnüffelte der Nachrichtendienst in der Biographie von Bruno Rebelle, Ex-Sprecher von Greenpeace Frankreich und Royals Berater in Umweltfragen, um dem politischen Gegner eine Affäre anhängen zu können. Glaubt man der Tageszeitung «Libération», kann sich Sarkozy trotz seines Rücktritts vom Innenministerposten auf die Unterstützung der meisten der verschiedenen Sicherheitsdienste verlassen. Während seiner Amtszeit ernannte Sarkozy treue Wegbegleiter an die Spitze der Nationalpolizei, des Nachrichtendienstes, des Grenzschutzes, der Compagnies républicaines de sécurité (CRS, für die öffentliche Ordnung zuständig) und der Kriminalpolizei der Präfektur von Paris. Andere Unterstützer waren schon an ihrem Platz oder haben sich später als solche zu erkennen gegeben.

Minutiös geplanter Erfolg

Den Umfragen nach zu urteilen, könnte der Wahlkampf für Sarkozy nicht besser laufen: Nach seiner Investitur Mitte Januar schlug Sarkozy in Umfragen das erste Mal Royal in der Stichwahl, ein Ergebnis, das er seitdem ein ums andere Mal wiederholt. Selbst der Aufstieg von Bayrou konnte ihm nichts wirklich anhaben, da der Zentrist eher Royals Stimmen eroberte.

Sarkozys Wahlkampf ist, wenn man dies bei einer Präsidentenwahl sagen kann, sehr auf seine Person fixiert. So treten viele den Unterstützer-Komitees außerhalb der UMP bei. Die Parti socialiste hingegen nahm beispielsweise zwischen März und November 2006 gut 70000 neue Mitglieder auf.

Sarkozys Meetings sind immer sehr professionell inszeniert, sein Internetauftritt zeugt minutiös von seinen Wahlkampfterminen und bietet ständige neue Video-Berichte an. Neben der Unterstützung von politischen Freunden konnte Sarkozy viele bekannte Persönlichkeiten aus dem Showbusiness für sich gewinnen, wie den Sänger Johnny Hallyday oder den Rapper Doc Gyneco.

Seine Kampagne kann getrost als sehr amerikanisch bezeichnet werden, ein Attribut, das man ihm bis vor einigen Monaten auch politisch anhängte. Der ehemalige Wirtschaftsberater von Royal (siehe Porträt der PS-Kandidatin), Eric Besson, bezeichnete Sarkozy als "amerikanischen Neo-Konservativen mit französischem Pass". Ein Besuch beim in Frankreich sehr unbeliebten US-Präsidenten George Bush im September wurde Sarkozy übel genommen, zumal sich Jacques Chirac bekanntlich gegen den Irak-Krieg ausgesprochen hatte. Diese Entscheidung des Präsidenten lobte Sarkozy später ausdrücklich im Zuge seiner Charmeoffensive, um die offizielle Unterstützung von Chirac zu bekommen.

Die Kampagne des ehemaligen Bürgermeisters des Pariser High-Society-Vorortes Neuilly-sur-Seine verläuft fast schon vorhersehbar linear, dass sich die Medien teilweise verstärkt den anderen Kandidaten zuwendeten. Für jemanden, der es gewohnt ist, seit knapp zwei Jahren täglich die Schlagzeilen zu dominieren, ist das ein schwerer Schlag. Und so weiß Sarkozy ganz gut, wie er wieder die Aufmerksamkeit auf sich lenken kann: Seine letzten beiden Aktionen waren der Vorschlag, ein Ministerium für Integration und nationale Identität zu schaffen (laut einer Umfrage des Figaros von 55% der Franzosen befürwortet) und die Verhaftung von Cesare Battisti kurz vor der Aufgabe seines Innenministerpostens. Der linksextreme Terrorist hatte sich seit 1990 in Frankreich aufgehalten und profitierte so von der Mitterrand-Doktrin, die auf eine Auslieferung derjenigen italienischen Aktivisten verzichtete, die sich von Gewalt distanzierten. Im Jahre 2004 wollte der französische Staat schließlich doch Battisti ausliefern, der daraufhin nach Brasilien flüchtete. Dort wurde er nun letzte Woche mit Hilfe der französischen Polizei endgültig festgenommen.

Obwohl Sarkozy immer wieder betont, er habe sich verändert ("j'ai changé"), heftet ihm stets noch das Image als hyperaktiver Wüterich an, und so ist bei manchen die Meinung verbreitet, dass er weiterhin "Angst macht". Anzumerken ist ebenfalls, dass ein Besuch im Pariser Vorort Argenteuil, wo Sarkozy im November 2005 sein berühmtes "Ich werde euch dieses Pack vom Hals schaffen" sprach, seit mehren Monaten immer wieder verschoben wird. Die symbolische Rückkehr in diese Banlieue sollte ein Signal der Beruhigung sein. Die Jugendlichen, die Sarkozy vor Ort engagiert hat, um die Stimmung ihrer Altersgenossen auszuloten und das Terrain für seinen Besuch vorzubereiten, raten jedoch von einem solchen Wahlkampftermin ab. Es ist zu vermuten, dass Sarkozy auf sein Vorhaben verzichtet, um nicht vor den Wahlen als Auslöser erneuter Ausschreitungen in der Presse zu erscheinen.

Programm

Ein Schwerpunkt des Programms von Sarkozy ist die Wirtschaftspolitik, und dort besonders die Steuer- und Arbeitsmarktpolitik. Die unter der Regierung Lionel Jospin eingeführte 35-Stunden-Woche soll weiter aufgeweicht werden, "wer mehr verdienen will, soll länger arbeiten dürfen". Um die aktive Bevölkerung entsprechend zu motivieren, sollen Überstunden komplett von Sozial- und Steuerabgaben befreit werden, was die Kosten einer Arbeitsstunde für den Arbeitgeber um 25 Prozent senke. Arbeitsverträge sollen in beidseitigem Einvernehmen leichter beendet werden können.
Das Niveau der Steuern und Abgaben soll verringert werden, die Steuerhöchstgrenze 50 Prozent betragen.

Die Nationale Agentur für Arbeit (ANPE) soll mit der UNEDIC, die für die finanzielle Verwaltung der Arbeitslosenversicherung zuständig ist, fusionieren. Generell möchte Sarkozy den öffentlichen Dienst radikal kürzen: Die Zahl der Beamten soll halbiert werden, indem etwa durch Pensionierungen frei werdende Stellen nicht wieder besetzt werden.

Beim Thema Airbus ist Sarkozys Position ziemlich widersprüchlich: Zum einen sagte er, dass staatliche Aktionäre nicht die besonnensten seien und das Unternehmen fälschlicherweise wie eine internationale Institution geführt werde, zum anderen betonte er, jederzeit als Investor einzuspringen, falls Airbus keinen Finanzpartner für seine Modelle A380 und A350 finde.

Für alle Jugendlichen in den Banlieues sieht Sarkozy einen "großen Marshall-Plan der Bildung" vor, damit "niemand links liegen gelassen wird, jeder sein Glück versuchen kann, jeder eine Arbeit hat".

Im Gegensatz zu seinen beiden Hauptkonkurrenten befürwortet Sarkozy nicht eine Sechste Republik, "deren Konturen kaum sichtbar sind". Es sei besser, "den Geist und die Praxis des aktuellen Textes zu modernisieren". Was die europäische Verfassung angeht, spricht sich Sarkozy für einen neuen "Mini-Vertrag" aus, der die Hauptpunkte der beiden ersten Teile des ursprünglichen Entwurfs übernimmt. Der Text soll nicht mehr einem Referendum unterlegt, sondern vom Parlament ratifiziert werden und 2008 in Kraft treten können.


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