Présidentielle 2007

Ein Blog über den französischen Präsidentschaftswahlkampf

Französische Präsidentschaftswahl
Donnerstag, 29. März 2007

Ségolène Royal, Kandidatin der Sozialistischen Partei (PS)

Die 53-jährige Präsidentin der Region Poitou-Charentes wurde seit knapp eineinhalb Jahren immer glaubwürdiger als Präsidentschaftskandidatin, und gleichzeitig bei den Franzosen und innerhalb der Parti socialiste stetig beliebter. Man sah in ihr eine willkommene Alternative zu den etablierten "Elefanten" ihrer Partei, die schon jahrzehntelang in unterschiedlichen Rollen und in vorderster Front das politische Geschehen in Frankreich mitgestalten. Frische, Unverbrauchtheit und eine andere Art, Politik zu gestalten schrieb man ihr zu. Außerdem begrüßten viele, dass sich zum ersten Mal innerhalb der beiden großen Parteien eine Frau anschickte, sich als Präsidentschatskandidatin aufstellen zu lassen und dazu auch noch ernsthafte Chancen besaß, anschließend von den Franzosen gewählt zu werden.

Nach drei parteiinternen, live in mehreren Medien übertragenen Debatten mit den anderen beiden Kandidaten der PS, Dominique Strauss-Kahn und Laurent Fabius, wurde Royal Mitte November schließlich mit gut 60 Prozent der Stimmen von den Mitgliedern ihrer Partei als Kandidatin ins Rennen um das Präsidentenamt geschickt. Die Strategie der PS, durch die öffentlichen Debatten ihrer drei Kandidaten dem omnipräsenten Nicolas Sarkozy den ersten Platz in der Medienpräsenz streitig zu machen, ging voll auf. Die französische Bevölkerung verfolgte die Investitur ebenfalls mit großen Interesse, so dass in Umfragen in dieser Phase Royal durchweg Sarkozy schlug.

Angesichts der Aufholjagd von François Bayrou und dem konstanten Rückstand auf Sarkozy seit Anfang des Jahres erinnern sich Mitglieder der PS, dass eine Niederlage Royals im November noch unmöglich schien. Wie aber kam es zu dem langsamen Fall der sozialistischen Kandidatin in allen Umfragen?

Pannen und schlechte Umfragen

Royals Wahlkampf seit ihrer Investitur ist geprägt von kleineren Pannen, Umorientierungen und Wechseln in ihrem Beraterstab, die das Fehlen einer klaren Linie und eine gewisse Nervosität angesichts der schlechten Umfragewerte offenbaren.

Die Stimmen, die ihr mangelndes Profil und Erfahrung vorwerfen, wurden zwischenzeitlich lauter, vor allem nach zwei, drei Faux-Pas bei internationalen Besuchen: In China lobte sie die Effizienz der dortigen Justiz, in Palästina widersprach sie nicht einem Hamas-Delegierten, der die Vorgehensweise Israels mit dem Dritten Reich verglich. Ob Royal tatsächlich nicht die richtige Übersetzung von ihrem Dolmetscher bekam, wie sie beteuerte, konnte nie wirklich geklärt werden.

Wie bekannt, lebt Royal mit dem Chef der PS, François Hollande zusammen, mit dem sie auch vier Kinder hat. Diese Situation sorgt oft für Spannungen: Hollande sah sich selbst als aussichtsreichen Kandidat für das Präsidentenamt, hat dann aber einen Rückzieher zugunsten seiner Lebensgefährtin gemacht. Trotzdem scheinen sich die beiden nicht über ihre Erklärungen in den Medien abzusprechen: Hollandes Vorschlag, Netto-Einkommen über 4000 Euro stärker zu besteuern, löste in Frankreich eine große Debatte über die Gehälter verschiedener Berufsschichten aus und stieß bei Royal und ihren Beratern auf Ablehnung.

In Anspielung auf die politischen Unstimmigkeiten des Paares Royal-Hollande antwortete Royals damaliger Sprecher, Arnaud Montebourg, in einer Fernsehsendung auf die Frage, was der größte Makel seiner Chefin sei: "François Hollande". Die als Spaß gedachte Replik fanden die Verantwortlichen der PS nicht so lustig, Royal suspendierte Montebourg für zwei Monate von seinem Amt.

Royals Berater in Wirtschaftsfragen, Eric Besson, trat Mitte Februar "aus persönlichen Gründen" zurück, wenige Tage bevor er die Kosten ihres Wahlprogramms veröffentlichen sollte. Kurz darauf ließ er seiner Wut in einem flugs geschriebenen Buch "Wer kennt Madame Royal?" freien Lauf und erklärte, dass er nicht seine ehemalige Chefin wählen werde.

Im Anschluss an diese "Affäre" und um Bessons Pressekonferenz zu seinem Ausscheiden zu übertönen, wurde mit viel Tamtam die Einspannung der "Elefanten" der PS in Royals Wahlkampf angekündigt. Bis dahin hatten sich beispielsweise die bei der parteiinternen Wahl unterlegenen Strauss-Kahn und Fabius eher halbherzig für Royal eingesetzt. Nachdem diese Maßnahme ebenfalls nicht dauerhaft den gewünschten Effekt erzielte und man Royal vorwarf, ihre Andersartigkeit über Bord geworfen zu haben, betonte sie wieder demonstrativ ihre Unabhängigkeit und ihre Distanz zu den Elefanten.

Weiteres Anzeichen einer gewissen Hiflslosigkeit ist der bereits drei, vier Mal gewechselte Slogan, mit dem sich Royal auf ihren Wahlkampfveranstaltungen präsentiert. Und seit Royal auf Anraten ihres Beraters Julien Dray dieses Wochenende fordert, dass sich die Linke wieder die von der Rechten vereinnahmten Nationalsymbole zurückerobert, wird am Ende ihrer "Meetings", den öffentlichen Wahlkampfveranstaltungen mit mehreren Tausend Zuhörern, die Marseillaise gespielt. Mit ihrer Forderung, jeder französische Haushalt solle künftig die Trikolore zu Hause haben, will sie die traditionelle Arbeiterschaft wieder zum Links-Wählen bewegen.

Programm und Positionen

Royals Programm, der pacte présidentiel, enthält 100 Vorschläge, zu denen die Kandidatin laut eigener Aussage bei den landesweit organisierten Bürgerdebatten (débats participatifs) inspiriert wurde. So möchte sie den gesetzlich garantierten Mindestlohn SMIC von derzeit 1200 Euro auf 1500 Euro anheben. Öffentliche Gelder an Unternehmen sollen an die Bedingung geknüpft werden, dass diese keine Kündigungen aussprechen, so lange sie Profite erzielen. Bei einer Delokalisierung müssen zudem erhaltene Hilfen zurück gezahlt werden.

Eine monatliche staatliche Hilfe soll Jugendlichen finanzielle Unabhängigkeit verschaffen und das "Studium und den Beginn des Beruflebens" erleichtern. Desweiteren tritt Royal für die Einführung eines sechsmonatigen Zivildienstes ein, der aber seit einer Meinungsänderung im Februar nicht mehr wie bei François Bayrou verpflichtend sein soll.

Zu den bekannten und kontrovers diskutierten Forderungen Royals zählen ihre Bürgerausschüsse, die die Arbeit der Volksvertreter beaufsichtigen und deren Versprechen mit den konkreten Resultaten ihrer Arbeit vergleichen sollen, sowie eine Politik des ordre juste. Der Begriff ist eine Art Platzhalter, universell verwendbar in allen Bereichen der Politik, und bezeichnet wahlweise eine gerechte Ordnung, für die es einzutreten gelte, oder die Forderung, eine Politik des rechten Maßes zu betreiben. Anfangs exzessiv von Royal verwendet, hat Sarkozy den ordre juste mittlerweile in sein Vokabuler übernommen. Vor allem links von Royal, wo man eine natürliche Allergie gegen das Wort ordre hat, wird dieses leere Konzept kritisiert.

Wie bei Bayrou ist das Projekt einer Sechsten Republik auch bei Royal Bestandteil ihres Programms, wenn auch in abgeschwächter Form. Dabei stützt sie sich vor allem auf die Arbeit ihres ehemaligen Sprechers Montebourg, der seine Ideen 2005 in dem Werk "Die Verfassung der Sechsten Republik – Für eine Aussöhnung der Franzosen mit der Demokratie" publiziert hatte.

Konkret möchte Royal die Rolle der Nationalversammlung stärken, wie zum Beipiel durch die Abschaffung des berüchtigten Artikels 49.3 der Verfassung. Dieser Passus ermöglicht es der Regierung, einen Gesetzentwurf ohne Zustimmung des Parlaments durchzubringen, wenn letzteres kein Misstrauensvotum beantragt oder ein Misstrauensvotum nicht negativ für die Regierung endet. Zwischen der Entscheidung, die Parteikollegen der eigenen Regierung abzuwählen oder ein strittiges Gesetz zuzulassen, entscheidet sich die Parlamentsmehrheit naturgemäß für das kleinere Übel. Zumal der Präsident mit einer Auflösung der Nationalversammlung reagieren kann, die Abgeordneten also ihren eigenen Posten aufs Spiel setzen würden.

Bei Verfassungsänderungen soll das "Veto-Recht des Senats abgeschafft" werden. De facto existiert ein solches Veto-Recht nicht, gemeint ist scheinbar, dass die Nationalversammlung zukünftig alleine über eine Revision der Verfassung entscheiden können soll. Aktuell müssen die Nationalversammlung und der Senat, wie bei einfachen Gesetztexten, die Vorlage einzeln absegnen und anschließend, gemeinsam als Kongress in Versailles versammelt, den Text mit einer 3/5-Mehrheit annehmen.

Den Verfassungsentwurf für die Europäische Union schließlich möchte Royal neu verhandeln, damit "Europa demokratischer und effizienter funktioniert". Das neue Vertragswerk soll den Franzosen erneut zur Abstimmung per Referendum vorgelegt werden.


Allianz Royal-Bayrou
Bayrou gründet MoDem
Bayrou in der Sackgasse
Ex-Minister greif Sarkozy an
Le Monde bezieht Position
Sarkozys
Sarkozys Regierungspläne
So wählte Frankreich Teil 1
So wählte Frankreich Teil 2
TV-Duell Royal-Sarkozy
Überläufer Eric Besson
Wahlempfehlungen der Unterlegenen
Wahlkampfspots
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren