François Bayrou, Kandidat der Union für die französische Demokratie
Ganz unspektakulär begann der 56-jährige gelernte Lehrer aus der südlichen Region Béarn auch seinen diesjährigen Wahlkampf, nachdem er 2002 eher unscheinbar blieb und mit 6,6 Prozent der Stimmen weit vom zweiten Wahlgang entfernt war. Es folgten genauso unspektakuläre Wahlkampftermine, wieder wurde die These, die Franzosen hätten die Links/Rechts-Bipolarisierung der politischen Landschaft durch die etablierten Parteien UMP und PS satt, zur Wahlkampfthematik auserkoren.
So richtig weiß heute keiner, wie der Pferdezüchter, anfangs in Umfragen auf dem Niveau der Wahl von 2002, zu einer echten Gefahr für die scheinbar uneinholbaren Nicolas Sarkozy und Ségolène Royal werden konnte. Der imposante Aufstieg in den fast täglich neuen Umfragen begann kurz nachdem Bayrou sich über seine mangelnde Medienpräsenz beschwerte und den Medien vorwarf, sie täten alles für ein Duell Sarkozy-Royal.
Diese Taktik kennt man nur allzu gut von anderen kleineren Kandidaten, in Frankreich aber vor allem von Jean-Marie Le Pen, der diese Ansicht immer wieder von seiner Tochter und Vizepräsidentin der Front national, Marine Le Pen, verbreiten lässt. Umso erstaunlicher, dass dieses Vorgehen dieses Mal mit Erfolg gekrönt zu sein schien: Kurz nach seiner Schelte war Bayrou fast täglich zu Gast in verschiedenen Fernsehsendungen.
Ende Februar näherte er sich stetig den 20 Prozent. Viele Umfragen bestätigten fortan, dass eine große Mehrheit der Franzosen Bayrou gerne im zweiten Wahlgang sehen würde, obwohl laut den gleichen Umfragen der Kandidat der UDF die erste Runde nicht überstände. Anfang März schließlich bekam Bayrou mit 23 Prozent das erste Mal genauso viele Stimmen wie Royal, bei einem ersten Wahlgang ohne Le Pen (für den Fall, dass dieser nicht die 500 Unterschriften für seine Kandidatur bekommen hätte) wäre er sogar Konkurrent von Sarkozy im zweiten Wahlgang gewesen.
Im Visier von Royals und Sarkozys Kritik
Die beiden großen Kandidaten mussten sich also ernsthaft der "Hypothese Bayrou" annehmen, und so fanden die Attacken der PS und der UMP ihren neuen Lieblingsfeind. Bayrou wurde vor allem mangelnde Schlüssigkeit, ein fehlendes Konzept und ein seichtes Programm vorgeworfen.
Es stimmt, dass der Zentrist Schwierigkeiten hatte und hat, namhafte Unterstützer für sein Projekt «Weder links noch rechts» zu finden. Denn trotz des plakativen Slogans ist Bayrou auf Unterstützung der beiden Großen angewiesen: Bei der Gründung der UMP im Jahre 2002 entschieden sich viele Politiker der UDF für die neue Partei, zumal sie deren Vorgänger, die RPR, zuvor jahrelang systematisch unterstützt hatten.
Die UDF überlebte mit einer 29-Mann-Fraktion in der Nationalversammlung, und dies auch nur dank der Hilfe der UMP, die in einigen Wahlkreisen auf einen eigenen Kandidaten verzichtete. Die UDF hat also nicht das nötige Gewicht und nicht die entsprechenden Politiker in ihren Reihen, um alleine regieren zu können, zumal ein Sieg bei den Parlamentswahlen im Juni 2007 absolut utopisch ist.
Deshalb hätte Bayrou gerne zumindest einen potentiellen Premierminister präsentiert. Doch der Sozialist Dominique Strauss-Kahn, ehemaliger Wirtschaftsminister und der deutschen Sozialdemokratie nahe sowie der aktuelle Minister für Arbeit und soziale Gerechtigkeit, Jean-Louis Borloo, lehnten beide energisch ab. Strauss-Kahn nuancierte bei einer Debatte mit Studenten jedoch sein Nein: Bayrou, wenn er denn gewählt werde, "würde auf jeden Fall eine rechte Mehrheit bei den anschließenden Parlamentswahlen Anfang Juni bekommen", weshalb die Frage, ob er als Premier zur Verfügung stehe, sich überhaupt nicht stelle. Bei einer linken Mehrheit würde Bayrou natürlich einen entsprechenden Regierungschef suchen, aber eine «Verteilung der Posten vor einer Wahl ist die beste Art, diese zu verlieren», womit sich Strauss-Kahn nach anfänglichem Zögern doch noch zu der Frage äußerte.
Unterstützer
Zu Bayrous Unterstützern gehören eher unbekanntere Personen, wie der Schriftsteller und aktuelle Minister für die Förderung der Chancengleichheit, Azouz Begag, oder die ehemalige Umweltministerin Corinne Lepage (unter der Regierung Alain Juppé 1995), die im Gegenzug ihre Kandidatur für das Präsidentenamt zurückzog.
Namhafte ehemalige Mitglieder der UDF, die sich bei der Gründung der UMP im Jahre 2002 für die Fusion mit der RPR entschieden, lehnen es ab, zu ihren politischen Wurzeln zurückzukehren, wie zum Beispiel der Außenminister Philippe Douste-Blazy. Simone Veil, unter Valérie Giscard d'Estaing Gesundheitsministerin und durch ihr Gesetz zur Legalisierung der Abtreibung bekannt, zog es vor, Sarkozy zu unterstützen. Jedoch kritisierte sie nur wenige Tage später Sarkozys Vorhaben, ein Ministerium für Immigration und nationale Identität schaffen zu wollen.
Programm und Positionen
Bayrous Programm ist nicht besonders umfangreich. Schließlich ist es auch sein Hauptziel, die Staatsverschuldung zu stoppen und abzubauen. Der Sparkurs ist der erste Punkt seines Projekts einer «Sozial-Wirtschaft», in deren Mittelpunkt Nachhaltigkeit stehen solle. Durch den Schuldenabbau sollen also kommende Generationen finanziell entlastet werden. Energie aus Quellen, bei deren Verarbeitung Treibhausgase ausgestoßen wernden, sollen progressiv besteuert werden.
Der Staat soll sich in Form von Institutionen der lokalen Verwaltung und der police de proximité (bürgernahe Polizei) wieder in die in dieser Hinsicht oft verwaisten Banlieues trauen. Die police de proximité, eine Maßnahme der Regierung Lionel Jospin, um die oft von Aggressivität geprägte Beziehung zwischen Jugendlichen und Polizisten menschlicher zu gestalten, wurde von Sarkozy abgeschafft. Sie sei zu teuer gewesen und habe nicht die erhofften Verbesserungen gebracht.
Was die Arbeitsmarktpolitik angeht, möchte sich Bayrou am besonders in Schweden und Dänemark praktizierten System der «flexiblen Sicherheit» orientieren, dass mit losen Beschäftigungsverhältnissen den Forderungen der Arbeitgeber sehr entgegenkommt und Phasen von Arbeitslosigkeit vor allem mit Weiterbildungsprogrammen überbrückt.
Die Einführung eines verpflichtenden sechsmonatigen Zivildienstes für alle französischen Jugendlichen stellt Bayrou als Plus für arbeitsuchende Jugendliche dar. (Der obligatorische Militärdienst wurde 1997 von Jacques Chirac im Zuge der Professionalisierung der Armee de facto abgeschafft und besteht heute nur noch aus einem Informationstag beim Militär.)
In Anlehnung an Sarkozys Slogan "Mehr arbeiten, um mehr zu verdienen" fordert Bayrou "Mehr arbeiten für die, die mehr verdienen möchten". Genauso frei solle die aktive Bevölkerung zukünftig über ihr Renteneintrittsalter entscheiden: Während in Deutschland diese Grenze zuletzt auf 67 Jahre angehoben wurde, sollen die Franzosen künftig zum aktuellen gesetzlichen Alter von 60 Jahren in Rente gehen können oder auf Wunsch weiter arbeiten.
Interessant ist desweiteren, dass Bayrou, im Gegensatz zu Sarkozy und Royal, nicht die Rolle der Europäischen Zentralbank kritisiert, sondern ihren Kampf gegen die Inflation und für die Stabilität des Euros lobt. Überhaupt wird Bayrou als der europafreundlichste der zwölf Kandidaten gewertet. Er spricht sich für ein föderales Europa, jedoch ohne die Türkei aus. Eine einfachere europäische Verfassung soll auf einer Konferenz von den Regierungen der EU-Mitglieder erarbeitet werden und anläßlich der europäischen Parlamentswahlen 2009 den Franzosen erneut in Form eines Referendums vorgelegt werden. "Was das französische Volk entschieden hat, kann auch nur das französische Volk modifizieren", kommentiert Bayrou die gewünschte Neuauflage des Referendums.
Zu den bekanntesten Forderungen des Präsidenten der UDF zählt das Projekt einer Sechsten Republik, die die bestehenden Institutionen der Fünften Republik übernimmt, deren Entscheidungsträger aber ein neues Verantwortungsbewusstsein an den Tag legen sollen. Mit einer größeren Legitimität der Volksvertreter und einer strikteren Gewaltenteilung möchte Bayrou das Vertrauen der Franzosen in ihre Regierenden zurückgewinnen, bleibt aber gleichzeitig über konkrete Maßnahmen ziemlich schweigsam.
Wie quasi alle Kandidaten hat auch Bayrou anlässlich der Präsidentschaftswahl ein Buch veröffentlicht. "Projekt Hoffnung" erläutert sein Programm und verkauft sich sehr gut.
So richtig weiß heute keiner, wie der Pferdezüchter, anfangs in Umfragen auf dem Niveau der Wahl von 2002, zu einer echten Gefahr für die scheinbar uneinholbaren Nicolas Sarkozy und Ségolène Royal werden konnte. Der imposante Aufstieg in den fast täglich neuen Umfragen begann kurz nachdem Bayrou sich über seine mangelnde Medienpräsenz beschwerte und den Medien vorwarf, sie täten alles für ein Duell Sarkozy-Royal.
Diese Taktik kennt man nur allzu gut von anderen kleineren Kandidaten, in Frankreich aber vor allem von Jean-Marie Le Pen, der diese Ansicht immer wieder von seiner Tochter und Vizepräsidentin der Front national, Marine Le Pen, verbreiten lässt. Umso erstaunlicher, dass dieses Vorgehen dieses Mal mit Erfolg gekrönt zu sein schien: Kurz nach seiner Schelte war Bayrou fast täglich zu Gast in verschiedenen Fernsehsendungen.
Ende Februar näherte er sich stetig den 20 Prozent. Viele Umfragen bestätigten fortan, dass eine große Mehrheit der Franzosen Bayrou gerne im zweiten Wahlgang sehen würde, obwohl laut den gleichen Umfragen der Kandidat der UDF die erste Runde nicht überstände. Anfang März schließlich bekam Bayrou mit 23 Prozent das erste Mal genauso viele Stimmen wie Royal, bei einem ersten Wahlgang ohne Le Pen (für den Fall, dass dieser nicht die 500 Unterschriften für seine Kandidatur bekommen hätte) wäre er sogar Konkurrent von Sarkozy im zweiten Wahlgang gewesen.
Im Visier von Royals und Sarkozys Kritik
Die beiden großen Kandidaten mussten sich also ernsthaft der "Hypothese Bayrou" annehmen, und so fanden die Attacken der PS und der UMP ihren neuen Lieblingsfeind. Bayrou wurde vor allem mangelnde Schlüssigkeit, ein fehlendes Konzept und ein seichtes Programm vorgeworfen.
Es stimmt, dass der Zentrist Schwierigkeiten hatte und hat, namhafte Unterstützer für sein Projekt «Weder links noch rechts» zu finden. Denn trotz des plakativen Slogans ist Bayrou auf Unterstützung der beiden Großen angewiesen: Bei der Gründung der UMP im Jahre 2002 entschieden sich viele Politiker der UDF für die neue Partei, zumal sie deren Vorgänger, die RPR, zuvor jahrelang systematisch unterstützt hatten.
Die UDF überlebte mit einer 29-Mann-Fraktion in der Nationalversammlung, und dies auch nur dank der Hilfe der UMP, die in einigen Wahlkreisen auf einen eigenen Kandidaten verzichtete. Die UDF hat also nicht das nötige Gewicht und nicht die entsprechenden Politiker in ihren Reihen, um alleine regieren zu können, zumal ein Sieg bei den Parlamentswahlen im Juni 2007 absolut utopisch ist.
Deshalb hätte Bayrou gerne zumindest einen potentiellen Premierminister präsentiert. Doch der Sozialist Dominique Strauss-Kahn, ehemaliger Wirtschaftsminister und der deutschen Sozialdemokratie nahe sowie der aktuelle Minister für Arbeit und soziale Gerechtigkeit, Jean-Louis Borloo, lehnten beide energisch ab. Strauss-Kahn nuancierte bei einer Debatte mit Studenten jedoch sein Nein: Bayrou, wenn er denn gewählt werde, "würde auf jeden Fall eine rechte Mehrheit bei den anschließenden Parlamentswahlen Anfang Juni bekommen", weshalb die Frage, ob er als Premier zur Verfügung stehe, sich überhaupt nicht stelle. Bei einer linken Mehrheit würde Bayrou natürlich einen entsprechenden Regierungschef suchen, aber eine «Verteilung der Posten vor einer Wahl ist die beste Art, diese zu verlieren», womit sich Strauss-Kahn nach anfänglichem Zögern doch noch zu der Frage äußerte.
Unterstützer
Zu Bayrous Unterstützern gehören eher unbekanntere Personen, wie der Schriftsteller und aktuelle Minister für die Förderung der Chancengleichheit, Azouz Begag, oder die ehemalige Umweltministerin Corinne Lepage (unter der Regierung Alain Juppé 1995), die im Gegenzug ihre Kandidatur für das Präsidentenamt zurückzog.
Namhafte ehemalige Mitglieder der UDF, die sich bei der Gründung der UMP im Jahre 2002 für die Fusion mit der RPR entschieden, lehnen es ab, zu ihren politischen Wurzeln zurückzukehren, wie zum Beispiel der Außenminister Philippe Douste-Blazy. Simone Veil, unter Valérie Giscard d'Estaing Gesundheitsministerin und durch ihr Gesetz zur Legalisierung der Abtreibung bekannt, zog es vor, Sarkozy zu unterstützen. Jedoch kritisierte sie nur wenige Tage später Sarkozys Vorhaben, ein Ministerium für Immigration und nationale Identität schaffen zu wollen.
Programm und Positionen
Bayrous Programm ist nicht besonders umfangreich. Schließlich ist es auch sein Hauptziel, die Staatsverschuldung zu stoppen und abzubauen. Der Sparkurs ist der erste Punkt seines Projekts einer «Sozial-Wirtschaft», in deren Mittelpunkt Nachhaltigkeit stehen solle. Durch den Schuldenabbau sollen also kommende Generationen finanziell entlastet werden. Energie aus Quellen, bei deren Verarbeitung Treibhausgase ausgestoßen wernden, sollen progressiv besteuert werden.
Der Staat soll sich in Form von Institutionen der lokalen Verwaltung und der police de proximité (bürgernahe Polizei) wieder in die in dieser Hinsicht oft verwaisten Banlieues trauen. Die police de proximité, eine Maßnahme der Regierung Lionel Jospin, um die oft von Aggressivität geprägte Beziehung zwischen Jugendlichen und Polizisten menschlicher zu gestalten, wurde von Sarkozy abgeschafft. Sie sei zu teuer gewesen und habe nicht die erhofften Verbesserungen gebracht.
Was die Arbeitsmarktpolitik angeht, möchte sich Bayrou am besonders in Schweden und Dänemark praktizierten System der «flexiblen Sicherheit» orientieren, dass mit losen Beschäftigungsverhältnissen den Forderungen der Arbeitgeber sehr entgegenkommt und Phasen von Arbeitslosigkeit vor allem mit Weiterbildungsprogrammen überbrückt.
Die Einführung eines verpflichtenden sechsmonatigen Zivildienstes für alle französischen Jugendlichen stellt Bayrou als Plus für arbeitsuchende Jugendliche dar. (Der obligatorische Militärdienst wurde 1997 von Jacques Chirac im Zuge der Professionalisierung der Armee de facto abgeschafft und besteht heute nur noch aus einem Informationstag beim Militär.)
In Anlehnung an Sarkozys Slogan "Mehr arbeiten, um mehr zu verdienen" fordert Bayrou "Mehr arbeiten für die, die mehr verdienen möchten". Genauso frei solle die aktive Bevölkerung zukünftig über ihr Renteneintrittsalter entscheiden: Während in Deutschland diese Grenze zuletzt auf 67 Jahre angehoben wurde, sollen die Franzosen künftig zum aktuellen gesetzlichen Alter von 60 Jahren in Rente gehen können oder auf Wunsch weiter arbeiten.
Interessant ist desweiteren, dass Bayrou, im Gegensatz zu Sarkozy und Royal, nicht die Rolle der Europäischen Zentralbank kritisiert, sondern ihren Kampf gegen die Inflation und für die Stabilität des Euros lobt. Überhaupt wird Bayrou als der europafreundlichste der zwölf Kandidaten gewertet. Er spricht sich für ein föderales Europa, jedoch ohne die Türkei aus. Eine einfachere europäische Verfassung soll auf einer Konferenz von den Regierungen der EU-Mitglieder erarbeitet werden und anläßlich der europäischen Parlamentswahlen 2009 den Franzosen erneut in Form eines Referendums vorgelegt werden. "Was das französische Volk entschieden hat, kann auch nur das französische Volk modifizieren", kommentiert Bayrou die gewünschte Neuauflage des Referendums.
Zu den bekanntesten Forderungen des Präsidenten der UDF zählt das Projekt einer Sechsten Republik, die die bestehenden Institutionen der Fünften Republik übernimmt, deren Entscheidungsträger aber ein neues Verantwortungsbewusstsein an den Tag legen sollen. Mit einer größeren Legitimität der Volksvertreter und einer strikteren Gewaltenteilung möchte Bayrou das Vertrauen der Franzosen in ihre Regierenden zurückgewinnen, bleibt aber gleichzeitig über konkrete Maßnahmen ziemlich schweigsam.
Wie quasi alle Kandidaten hat auch Bayrou anlässlich der Präsidentschaftswahl ein Buch veröffentlicht. "Projekt Hoffnung" erläutert sein Programm und verkauft sich sehr gut.