Présidentielle 2007

Ein Blog über den französischen Präsidentschaftswahlkampf

Französische Präsidentschaftswahl
Samstag, 28. April 2007

Bayrou gefragt wie nie - Treffen mit Royal

Gemessen an dem Hype, der zur Zeit François Bayrou und seine Partei UDF umgibt, könnte man meinen, der Zentrist sei für die Stichwahl am 6. Mai qualifiziert. Doch das ist bekanntermaßen weit gefehlt: Auch wenn Bayrou im ersten Wahlgang spektakulär zweieinhalb mal so viele Stimmen wie 2002 bekam, ist er nur Drittplatzierter und damit erster Verlierer. Wenn da nur nicht seine 6,8 Millionen Stimmen wären.

Im Gegensatz zu den Wählern der Kandidaten links von Royal und rechts von Sarkozy kann man die Stimmen Bayrous nicht quasi mechanisch einem der Finalisten zuordnen. Die Charmoffensiven der beiden Kandidaten in Richtung Bayrou begannen deshalb logischerweise mit der Verkündung der ersten Hochrechnungen, wie es der Zentrist selbst süffisant-verbittert bemerkte: "Ich, mit dem sich um 19.59 Uhr niemand abgeben wollte, bin absolut verführerisch, angenehm und sympathisch geworden. Man ist entzückt zu entdecken, wie sehr man sich zwischen 19.59 und 20.01 verändern kann."

Sarkozy stellte sich in seiner offiziellen Stellungnahme nach dem ersten Wahlgang als Beschützer der Armen und Schwachen dar. Außerdem habe er Bayrou angerufen, aber nur aus Mitgefühl und um ihn zu trösten, denn er könne seine Enttäuschung als Drittplatzierter verstehen. Leider habe der Zentrist seinen Anruf aber nicht angenommen, und für einen Rückruf habe Bayrou "keine Zeit gefunden", wusste Sarkozy.

Zweifel am Wahrheitsgehalt von Sarkozys Aussage sind erlaubt: In einer Pressekonferenz vor über 400 Journalisten gab Bayrou vergangenen Mittwoch zu verstehen, dass er Royal um einiges näher steht als Sarkozy. Werde der UMP-Kandidat zum Präsidenten gewählt, werde er "durch seine Nähe zu den Wirtschaftskreisen und den Medienmogulen, durch seine Vorliebe für Einschüchterung und Bedrohung, wie nie zuvor die [drei] Gewalten konzentrieren", befürchtete Bayrou. In Royals Programm erkenne er zwar "einen Staat, der sich um alles kümmert", besonders in Wirtschaftsfragen, trotzdem beginne der Zentrist zu verstehen, wen er nicht wählen werde, ohne explizit den Namen des UMP-Kandidaten auszusprechen. Ohnehin scheint Sarkozy nicht gut auf Bayrou zu sprechen zu sein, seit der 2004 seinen "Anti-Chirac-Plan" (Artikel folgt) ablehnte.

Sarkozys Avancen schienen bei Bayrou also eher auf unfruchtbaren Boden gestoßen zu sein, weshalb der UMP-Kandidat im Gegensatz zu Royal lieber die UDF-Abgeordneten in der Nationalversammlung bearbeitete. Mit Erfolg: Täglich machen sich bisher weitgehend unbekannte Zentrumspolitiker durch ihre Unterstützung Sarkozys einen Namen in der Öffentlichkeit. Zwei Drittel der insgesamt 29 UDF-Abgeordneten, darunter Vertraute Bayrous, haben so schon Sarkozy Treue geschworen.

Sarkozys Überzeugungsarbeit scheint folgendem Muster zu folgen: "Du willst wieder gewählt werden? - Okay, du unterstützt mich öffentlich, dafür stellen wir in deinem Wahlkreis keinen Gegenkandidaten bei den Parlamentswahlen im Juni auf." Nur so schaffte die UDF auch bei den letzten Wahlen 2002 den Einzug in die Nationalversammlung. Der Unterschied ist, dass die UDF inzwischen ihre Linie gewechselt hat.

Oder ihr Präsident dies zumindest versucht. Denn einige Abgeordnete scheinen Sarkozy vor allem deshalb zu unterstützen, weil ihre Wähler das erwarten. Andere, wie der UDF-Parlamentarier Philippe Folliot aus dem südlichen Departement Tarn, sehen das ein bisschen lockerer: "Wenn ich bei den Parlamentswahlen einen Gegenkandidat der UMP habe, wird die UMP bei den kommenden Kommunal- und Generalratswahlen [Departementsebene] die UDF gegen sich haben."

Neben dem Großteil der UDF-Abgeordneten der Nationalversammlung konnte Sarkozy andere hochrangige Namen für sich erobern. Pierre Albertini, von Bayrou vor zwei Wochen noch als "Bürgermeister der größten UDF-Stadt Frankreichs [Rouen]" gelobt, und François Goulard, UMP-Bürgermeister von Vannes, der Ende März noch offen Bayrou unterstützte und die UMP verlassen wollte, werden nach eigener Aussage beide Sarkozy wählen.

Royals Strategie diese Woche war auf jeden Fall medienwirksamer. Zuerst zeigte sie sich mit Persönlichkeiten, denen Bayrou und seine Wähler nahe stehen. Die PS-Kandidatin traf den ehemaligen Präsident der Europäischen Kommission Jacques Delors am Dienstag, mit ihrem Rivalen bei der parteiinternen Kandidateninvestitur Dominique Strauss-Kahn war sie am Mittwoch essen. Bayrou hatte sich vor dem ersten Wahlgang als Premierminister einen "jungen Delors" gewünscht und öffentlich Strauss-Kahn ins Spiel gebracht. Letzterer durfte bei Royals gestrigem Meeting eine Rede halten. Dazu kam eine Videobotschaft von Romano Prodi, der vor dem ersten Wahlgang seinen Freund Bayrou unterstützt hatte.

Der größte Coup Royals war aber ihr Vorschlag, mit Bayrou zu debattieren, um "Gemeinsamkeiten und Unterschiede" der Positionen beider Politiker herauszuarbeiten. Bayrou akzeptierte das Angebot auf seiner Pressekonferenz am Mittwoch und sagte, dass er eine Debatte mit Sarkozy ebenso akzeptieren würde, ein solches Angebot aber ausgeblieben sei.

Das Treffen mit Royal sollte ursprünglich am gestrigen Freitag vor Journalisten der Regionalpresse stattfinden, Bayrou bestand aber auf Fernsehpräsenz. Der Privatsender Canal Plus hatte sich am Donnerstag schon die Rechte gesichert, um dann am gleichen Abend einen Rückzieher zu machen - laut Royal und Bayrou gab es entsprechenden Druck aus dem Umfeld Sarkozys. Schlussendlich konnte die Debatte heute Morgen vor den Kameras des kleinen Kabelsenders BFM TV stattfinden.

Wirklich Neues kam dabei nicht zu Tage: Beide (Ex-)Kandidaten sind sich einig, dass die Lösung der Banlieue-Probleme, die Bildungspolitik und eine neue Dynamik für die Europäische Union absolute Prioritäten sind. Bayrou, dessen Hauptziel die Reduzierung der Staatsverschuldung war, kritiserte die Kosten von Royals Programm. Außerdem möchte er im Gegensatz zu Royal an der Verpflichtung festhalten, seine Kinder in die nächstgelegene Schule zu schicken, damit Eltern nicht je nach Ruf der Einrichtung aussuchen. Nicht verkneifen konnte Bayrou sich einen kleinen Seitenhieb angesichts Royals Forderung vom März, in jedem Haushalt solle eine Trikolore hängen.

Jetzt bleibt in den nächsten Tagen abzuwarten, wie weit die Annäherung zwischen Royal und Bayrou noch geht. Es ist durchaus möglich, dass die Parti socialiste eine Allianz mit der UDF eingeht oder die beiden gar in Bayrous Projekt einer neu zu gründenden "Demokratischen Partei" aufgehen. Der Begriff "Sozial-Demokratie", Synonym für eine Umorientierung der traditionellen Linken Richtung Zentrum, macht immer mehr die Runde.


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