Nicolas Hulot, Ökologe und Fernsehmoderator einer bekannten Natur-Doku-Sendung, bedauert, dass das Thema Ökologie zu Gunsten anderer Kontroversen (nationale Identität, Unsicherheit) in den Hintergrund getreten sei. Deshalb organisierte er heute in Paris zuerst eine öffentliche Debatte vor 5000 Leuten, und anschließend ein Treffen auf dem Trocadéro-Gelände gegenüber dem Eiffelturm. In Zusammenarbeit mit Greenpeace und ähnlichen Gruppierungen sollten die Unterzeichner von Hulots "Öko-Pakt" an ihr Engagement erinnert werden.
Der beliebte Moderator hatte die etablierten Kandidaten Ende letzten Jahres nämlich ganz schön ins Schwitzen gebracht. Hulot hatte erklärt, selbst als Präsidentschaftskandidat antreten zu wollen und bekam in Umfragen auch gleich locker zweistellige Werte. Die Themen Ökologie und nachhaltige Entwicklung bewegten Volkes Seele. Begünstigt durch den Erfolg des Al Gore Films "An inconvenient truth" nahm sich auch die Medienlandschaft der Problematik an. Hulot durfte beispielsweise eine komplette Ausgabe des Wochenmagazins Nouvel Observateur als Chefredakteur gestalten.
Diese Popularität nutzte der Moderator anschließend aus, um seinen pacte écologique den großen Kandidaten aufzudrängen. Nicolas Sarkozy, Ségolène Royal, François Bayrou, Marie-George Buffet und Dominique Voynet haben das Papier mit "zehn Zielen und fünf Vorschlägen" unterzeichnet und in ihr Programm aufgenommen.
Sie verpflichten sich somit etwa, im Falle eines Wahlerfolges den Posten eines Vize-Premierministers zu schaffen, der für nachhaltige Entwicklung zuständig ist; eine Kohlenstoff-Steuer einzuführen, die in Zeiten stabilen Wirtschaftswachstums in Kraft tritt; den Ausstoß von Treibhausgasen auf ein Viertel zu reduzieren; eine Politik der Sensibilisierung für Ökologie und nachhaltige Entwicklung zu betreiben.
Zusätzliches Gewicht bekam der "Öko-Pakt" durch 700000 Unterschriften von Unterstützern. Als Mitte Januar 2007 schließlich die damals bei weitem aussichtsreichsten Sarkozy und Royal ihre Unterschrift unter das Papier gesetzt hatten, betrachtete Hulot sein Werk als erfüllt und kündigte an, nicht für das Präsidentamt zu kandidieren.
Daniel Cohn-Bendit, der sich gerne öffentlich zum französischen Politikgeschehen äußert, bedauerte es, Hulot nicht zu einer Kandidatur überredet zu haben. Wer weiß, vielleicht wäre Hulot anstatt Bayrou zum Überraschungsmann geworden. Zu Hochzeiten bekam der Ökologe - ohne Kandidat zu sein - in Umfragen immerhin 12 Prozent, Bayrou startete bei 6 Prozent.
Wie gemeldet rückten die Ausschreitungen am Gare du Nord Anfang der Woche das Thema der (Un)Sicherheit in den Mittelpunkt des Wahlkampfes. Mehrere Umfragen ergaben nun, dass wie vermutet Sarkozy am ehesten zugetraut wird, für eine Abnahme der Gewalt zu sorgen.
Das massive Vertrauen, das die Befragten Sarkozy in diesem Bereich aussprechen, erstaunt dann aber doch. Schließlich war der Kandidat der UMP seit 2002 (mit einem Intermezzo als Wirtschaftsminister) bis letzte Woche knapp vier Jahre lang Innenminister und somit nicht unwesentlich für die Sicherheit und den Rückgang der Straftaten zuständig. In einem heute veröffentlichten Meinungstest für das Journal du Dimanche geben 43 Prozent der 958 Befragten an, Sarkozy "am meisten zu vertrauen, die Sicherheit von Personen und Eigentum zu garantieren". Es folgen Ségolène Royal (15), François Bayrou (14), Jean-Maire Le Pen (8) und Olivier Besancenot (3%). Marie-George Buffet, Arlette Laguiller, Philippe de Villiers und José Bové bekommen noch jeweils einen Prozent zugeschrieben.
Der Noch-Bildungsminister Gilles de Robien, das einzige aktuelle Regierungsmitglied von der UDF, hat gestern seine offizielle Unterstützung für den Kandidaten der UMP, Nicolas Sarkozy, bekannt gegeben. 2002 noch Wahlkampfdirektor des erneuten UDF-Kandidaten Bayrou, erklärt de Robien seinen Seitenwechsel nun mit "grundlegenden Differenzen" mit seinem Parteichef.
Auf seine Fragen, ob Bayrou nun links oder rechts sei und mit wem er zu regieren gedenke, habe de Robien immer nur die gleiche Antwort bekommen: "Das werden wir sehen, wenn es soweit ist". Für de Robien ein untragbarer Zustand: "Ich kann diese Unbestimmtheit nicht unterstützen. Man hat nicht das Recht, den Wähler im Ungewissen zu lassen". Er selbst zählt sich zur rechten Mitte, weshalb es konsequent sei, wie vor ihm die bekannten UDF-Politiker Simone Veil und André Santini den Kandidaten Sarkozy zu unterstützen.
Damit setzt de Robien einen Trend fort, den der aktuelle Minister für Arbeit und soziale Gerechtigkeit, Jean-Louis Borloo, schon vorgegeben hatte: Der Politiker der Parti radical hatte sich nach langem Zögern ebenfalls letzten Dienstag für Sarkozy ausgesprochen. Naturgemäß ist davon auszugehen, dass sich die "Überläufer" auch mit Versprechungen Sarkozys überzeugen ließen, womit auch der späte Zeitpunkt ihrer Entscheidung zu erklären wäre.
Am Pariser Nordbahnhof kam es am vergangen Dienstagabend zu Ausschreitungen zwischen der Polizei und etwa 200 Personen, nachdem ein Schwarzfahrer von U-Bahn-Kontrolleuren an die Polizei übergeben wurde. Der 33-jährige Mann hatte zuvor die beiden Kontrolleure verletzt.
Das sinn- und verhältnislose Ausbrechen der Gewalt unterstreicht einmal mehr die Missstimmung zwischen Teilen der Bevölkerung und den Sicherheitskräften, die man in Frankreich seit längerem täglich beobachten kann. In der Endphase eines engen Wahlkampfes rückt ein solches Ereignis natürlich das Thema Sicherheit in den Mittelpunkt der Debatten, zumal wenn der aktuell aussichtsreichste Kandidat gerade den Innenministerposten verlassen hat. Die Frage ist nur, wie lange das Thema die Kandidaten und die Franzosen beschäftigt.
Erste Parallelen zur Präsidenschaftswahl 2002 werden schon gezogen, als die Affäre "Papy Voise" drei Tage vor dem ersten Wahlgang die Gemüter erhitzte: Ein 70-Jähriger Mann war auf offener Strasse von zwei Jugendichen zusammengeschlagen worden, sein malträtiertes Gesicht wurde später in den TV-Nachrichten gezeigt. Plötzlich war die Sicherheit, oder besser, die "Unsicherheit", Thema Nummer eins geworden. Für viele zog Jean-Marie Le Pen auch wegen dieser Affäre 2002 in die Stichwahl ein.
Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass die Sicherheit den Wahlkampf der nächsten drei Wochen dominieren wird. Zu lange scheint der Urnengang noch hin, zu viele andere Themen werden noch dazwischen kommen. Es sei nur darin erinnert, dass die von Royal letztes Wochenende ausgelöste Patriotismusdebatte ("jeder Franzose soll die Tricolore zu Hause haben") durch die genannten Ausschreitungen schon wieder in den Hintergrund getreten ist.
Die nächste höchst mediatisierte Etappe des Wahlkampfes steht schon fest: Kommenden Montag wird Sarkozy sein gestern unter dem Namen "Mein Projekt" veröffentlichtes Programm der Presse vorstellen. Das bisherige Programm Sarkozys war auf der Webseite der UMP abrufbar und bestand aus losen Zitaten aus Reden und Interviews.
Im Gegensatz zur Praktik der automatischen Wahlbenachrichtigung in Deutschland muss man sich in Frankreich bei der örtlichen Präfektur registrieren lassen, um wählen zu können. Bis Ende Dezember 2006 hatten Erstwähler, aber auch Umgezogene oder nicht an ihrem tatsächlichen Wohnort Gemeldete Zeit, sich in die Wählerlisten einzutragen.
Insgesamt 44 508 024 Franzosen sind nun wahlberechtigt, wie das Innenministerium bekannt gab. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Steigerung um 4,2 Prozent oder 1,8 Millionen Wahlberechtigte. Die Rekordzahl lässt sich aber nicht nur durch das Erreichen der Volljährigkeit eines geburtenstarken Jahrgangs erklären, sondern auch mit vielen Neuregistrierungen in den Banlieues. Traditionell werben Bürgerinitiativen dafür, sich in den Wählerlisten registrieren zu lassen.
Dieses Mal kamen Organisationen dazu, die besonders die Jugendlichen der Vorstädte zu mobilisieren wussten. Das nördlich von Paris gelegene Departement Seine-Saint-Denis konnte mit einer Steigerung von 8,51 Prozent gar den nationalen Schnitt verdoppeln. Aber nicht nur die Jugendlichen ließen sich registrieren, auch jahrelange Nicht-Wähler aller Altersklassen haben den Gang zu ihrer Präfektur gemacht.
Die Differenz zwischen den gut 44 Millionen registrierten Wählern und den insgesamt 63 Millionen Franzosen bilden jedoch nicht nur Minderjährige. Politologen gehen davon aus, dass zwischen zwei und vier Millionen potentiell Wahlberechtigte sich durch eine Nicht-Registrierung oder "Falsch-Registrierung" (Studenten, die am Wohnsitz ihrer Eltern gemeldet sind; Angestellte, die beruflich unterwegs sind) selbst um ihr Stimmrecht gebracht haben.
Dass der amtierende Präsident Jacques Chirac (UMP) nicht für ein drittes Mandat kandidieren würde, zeichnete sich ziemlich schnell ab. Zu groß ist der Wille der Franzosen, einen Wechsel herbeizuführen, zu mager Chiracs Bilanz.
Nur der Zeitpunkt der Bekanntgabe seiner Entscheidung war nicht klar. Spät, am 12. März, zur besten Sendezeit Sonntags um 20 Uhr, war es dann aber soweit: In einer 15-minütigen Fernsehansprache verkündete Chi-Chi, wie Chirac je nach Affinität liebevoll oder spöttisch genannt wird, dass er nicht mehr Kandidat sein wird. Außerdem betonte er, wie sehr er Frankreich und die Franzosen liebe.
Die letzteren zeigten sich dankbar, und so stieg die Zufriedenheit mit Chiracs Amtszeit dem Trend der letzten Wochen folgend weiter um einige Prozentpunkte. Dementsprechend haben die drei "großen" Kandidaten Nicoals Sarkozy, Ségolène Royal und François Bayrou darauf verzichtet, in ihrer Bewertung der Ansprache nachzutreten. Stattdessen haben sie die emotionale und historische Dimension der Ansprache betont. Und das, obwohl ausnahmslos alle Anwärter auf den Elysée-Palast einen Bruch herbeiführen wollen, um eine neue Ära in der Geschichte Frankreichs einzuläuten.
Kritische Worte zu Chiracs Bilanz kamen vor allem aus der zweiten Reihe der großen Parteien, von Jean-Marie Le Pen ("Ich denke, dass Jacques Chirac der schlechteste Präsident in der Geschichte Frankreichs war.") und von den "kleinen" Kandidaten. Olivier Besancenot und Marie-George Buffet kritisierten, dass die fracture sociale, die soziale Kluft, die Chirac bekämpfen wollte, sich vergrößert habe.
Von Chiracs Ansprache blieb sonst besonders hängen, dass er sich nicht wie erwartet sofort für Sarkozy als seinen Nachfolger ausgesprochen hat. Letzterer, nachdem er monatelang seine Unterschiede mit Chirac herausgestellt hatte, bemühte sich in den Wochen vor Chiracs Ankündigung doch noch lobende Worte für seinen Parteikollegen zu finden. Chiracs offizielle Unterstützung habe "angesichts seiner Erfahrung Gewicht".
Natürlich hätte der ausscheidende Präsident lieber Dominique de Villepin, seinen Premier, als Kandidat gesehen. Das war aber unmöglich geworden seit dessen Festhalten am CPE (contrat premier embauche), dem ersten Arbeitsvertrag für unter 26-Jährige mit einer zwei Jahre langen Probezeit ohne Kündigungsschutz.
Am 21. März erklärte Chirac dann seine «ganz natürliche» Unterstützung für Sarkozys Kandidatur, was viele Kommentatoren als halbherzige, etwas gezwungene Erklärung werteten.
Im Folgenden sollen kurz die drei momentan aussichtsreichsten Kandidaten und der bisherige Verlauf ihrer jeweiligen Kampagne vorgestellt werden. Die neun restlichen Kandidaten werden die Tage im Einzelnen präsentiert.